Der Mensch nimmt, sammelt und stiehlt, was er will, um es sich zu eigen zu machen. Andrea Muheim hingegen schlägt einen Austausch vor: ich nehme, ich hinterlasse eine Leere, ich verwandle, was ich genommen habe, und fülle die Leere wieder auf.
Vor ziemlich genau einem Jahr war Andrea Muheim als Resident in der Fundaziun Nairs und hat sich bei einer Wanderung einen Stein aus dem Val Zuort «ausgeliehen», um ihn als Bronzeabguss in diesem Jahr mit einer gemeinsamen Wanderung wieder an seinen ursprünglichen Platz auf 2284 Meter über Meer zurückzubringen.
Was ist dieser metallisch schimmernde Brocken: Eine Kopie? Ein Zeichen? Ein Geschenk? Wer genau als Bildhauer*in agiert ist unklar. Ein Produkt der Natur: Abgebrochener und erodierter Zufall? Ein Produkt der Kultur: Ein bewusst ausgewählter Gegenstand, der mit kunsthandwerklichen Mitteln übersetzt wird? Wer ist dazu ermächtigt, dieses Objekt zu platzieren, zu be- händigen und zu behandeln? Was ist eigentlich in der Zwischenzeit, in diesem Jahr der Leerstelle passiert?
Andrea Muheim nimmt alle Positionen ein und zeigt aber ein sanftes Unwohlsein in jeder dieser Positionen. Er wirft damit gleich die wichtigen Fragen auf. Er zeichnet eine Landschaft in der Tradition eines kulturellen und künstlerischen Akteurs als Plein-Air-Tourist. Er greift in die Natur ein, stellt sie aber mit feiner Anpassung wieder her. In Zeiten von Diskussionen über Klimawandel und -katastrophe sowie mensch- lichen Climate Engineerings ohnehin besonders aktuell. Er trägt ein vermutlich oder vermeintlich natürlich entstandenes Objekt in einen – im wahrsten Sinne des Wortes – Kulturraum und räumt ihm einen besonderen Platz als Beobachter auf einer kleinen Bank ruhend ein, während das Menschen gemachte Abbild gegenüber steht,
in die andere Richtung aber der uneingeschränkte Blick nach draussen möglich wäre. Wo die Grenzen zwischen Natur und Kultur, zwischen Beobachter*in und Akteur*in, Handelndem und Behandeltem liegen sind damit auf poetische Weise zur Diskussion gestellt.
Das gemeinsame Kochen und Essen als Kulturtechnik und die kollektive Wanderung tragen dabei zu dieser Diskussion bei. (Prä-)Historische Notwendigkeiten der Menschheit wie Ernährung und das Erkunden des umliegenden Geländes wer- den zu sozialen Kulturtechniken. Andrea Muheim zeigt uns, dass wir manchmal auch über die Beobachtung, über die Antwort zu den Fragen kommen können. Die Beobachtung ist eine banale und dennoch so tief greifende: Der Mensch nimmt, sammelt und stiehlt.
Programm
Eröffnung mit Risotto
Freitag, 2. August 2024
18:00 – 22:00 Uhr
Gemeinsame Wanderung ins Val Zuort
Samstag, 3. August 2024
07:30 – 18:00 Uhr
Öffnungszeiten
Die Ausstellung ist nach Vereinbarung unter tickets@nairs.ch oder +41 81 864 98 02 geöffnet.